«

»

Dez 13

Gemeinsamer offener Brief des Solinetzwerks Berlin/refugees welcome

Geflüchtete willkommen – Protestcamp bleibt

Sehr geehrter Herr Innensenator Frank Henkel,

Sehr geehrter Herr Senator für Gesundheit und Soziales Mario Czaja,

Wir sind ein neu gegründeter Zusammenschluss von Initiativen, Vereinen, Organisationen und

engagierten Einzelpersonen. In unserer täglichen Arbeit engagieren wir uns für Geflüchtete in Notund

Sammelunterkünften sowie in antirassistischen Zusammenhängen, um die Situation von

Geflüchteten auf unterschiedlichen Ebenen zu verbessern. Gemeinsam setzen wir uns für ein

offeneres, demokratischeres Berlin und gegen Rassismus ein.

Mit tiefer Sorge und Empörung beobachten wir die sich zuspitzende Situation und die schärfer

werdenden Konflikte um das Protestcamp der Geflüchteten auf dem Oranienplatz.

Das Camp ist ein Ort, an dem Betroffene selbstbestimmt ihre Grundrechte in einer demokratischen

Gesellschaft einfordern. Sie kämpfen gegen menschenunwürdige Behandlung, diskriminierende

Ausschlüsse und drohende Abschiebung. Als Mittel des Protests gegen die Folgen der

unmenschlichen und rassistischen deutschen Flüchtlingspolitik ist das Protestcamp in seiner

jetzigen Form so lange legitim, bis die Grundforderungen der Protestierenden erfüllt sind. Mit

diesen Forderungen solidarisieren wir uns:

– Ende der Abschiebungen und Abschiebegefängnisse

– Aufhebung der Residenzpflicht für AsylbewerberInnen und Geduldete

– Ende der Unterbringung in Flüchtlingslagern

– uneingeschränktes Recht auf Arbeit

Das bisher praktizierte verantwortungslose Verschieben von Zuständigkeiten zwischen

kommunaler, Landes-, Bundes- und Europaebene ist angesichts der existenziell bedrohlichen

Situation für die Betroffenen untragbar.

Eine gewaltsame Räumung des Oranienplatzes ist aus unserer Sicht völlig inakzeptabel und stellt

keine Lösung dar. Darüber hinaus ist eine solche Eskalation mit der Vorstellung eines offenen und

demokratischen Berlins unvereinbar. Die zeitlich und personenbezogen begrenzte Überlassung von

Häusern zur Kältehilfe rechtfertigt keinesfalls die Räumung des Oranienplatzes. Dieser ist als

sichtbares Zentrum des selbstbestimmten und organisierten Protestes von grundlegender Bedeutung

und muss daher in der von den jeweils dort lebenden und protestierenden Geflüchteten gewünschten

Form bestehen bleiben. Zu seinem Bestehen gehört unserer Ansicht nach auch ein Abschiebestopp

für Roma, Dublin II-Fälle und die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen für Lampedusa-

Geflüchtete* aus humanitären Gründen nach § 23 Ausländergesetz.

Wir fordern Sie auf, eine Lösung des Konfliktes im Dialog mit den Geflüchteten zu suchen, keine

Maßnahmen für eine Räumung einzuleiten und stattdessen politische wie soziale

Rahmenbedingungen für den Protest zu unterstützen. Nutzen Sie darüber hinaus Ihre politischen

Spielräume für eine menschenwürdige Flüchtlingspolitik in Berlin, im Bund und europaweit!

Solinetzwerk Berlin / refugees welcome

Kontaktadresse: Solinetzwerkberlin@gmx.net

* Menschen mit Aufenthaltserlaubnis in Italien ohne Perspektive, ihren Lebensunterhalt

zu sichern.