«

»

Feb 23

Die Stimme einer aktiven Helferin

Liebe WiWler,

eigentlich hätte ich das schon lange mal machen wollen, deshalb ist es nun
lang geworden: Einfach mal ein Bericht aus der Halle, wo wir da so stehen,
was wir erreicht haben und welche Schuhe uns besonders drücken…

Noch immer leben 200 Menschen, darunter ca. 30 Kinder in der Turnhalle der
TU. Manche sind dort seit dem 12. Dezember, andere werden nach kurzer Zeit
in andere Unterkünfte verlegt, ein System ist da nicht zu erkennen. Viele
kommen aus den westlichen Balkanländern und wissen unterdessen, dass sie
nur geringe Chancen auf Asyl haben. Die Hoffnung stirbt zuletzt und so
warten sie nun auf ihre Anhörungsverfahren und die Bescheide – vielleicht
gehören sie doch zu den wenigen, die bleiben dürfen? Die Asylverfahren der
Syrer verlaufen recht schnell, einige haben nun schon ihre dreijährige
Aufenthaltsgenehmigung. Andere, die bei der Flucht in einem anderen
EU-Land registriert wurden, fürchten sich dagegen vor Abschiebungen in
Länder, wo sie wissen, dass sie u.U. lange im Gefängnis sitzen werden
(Ungarn), wo Flüchtlinge zu Tausenden unter Brücken schlafen (Italien)
oder sie immer wieder in Sonderlager kommen, die für Misshandlungen von
Flüchtlingen bekannt sind (Bulgarien). Andere (Menschen aus Pakistan,
Afghanistan, Vietnam u.a.)  machen sich auf lange Asylverfahren gefasst,
sie werden Monate warten, bis über ihr Schicksal entschieden wird.

Eigentlich sollen die Menschen, wenn sie sich nach ihrer Ankunft in Berlin
beim Landesamt für Gesundheit und Soziales melden, beim ersten Termin eine
Unterkunft zugewiesen bekommen, und gleichzeitig Taschengeld,
Krankenschein und den sog. Berlinpass erhalten, mit dessen Hilfe sie
verbilligte BVG-Monatskarten erwerben und sich bei Sprachkursen anmelden
können. Soweit die Theorie – in Wahrheit kommen Menschen oft erst mal nur
mit der Zuweisung eines Schlafplatzes in der Halle an, alles andere
erfordert immer wieder stundenlanges Anstehen beim LaGeSo und dauert
Wochen.

Unter den Bewohnern sind Alte, Kranke, Traumatisierte, Babies, Schwangere
… für die eine derartige Unterbringung einen ganz besonderen Stress
bedeutet. Es dauert im Moment Wochen, bis wir es trotz des Engagements der
Sozialarbeiter und von Ehrenamtlichen für die Betroffenen erreichen
können, dass sie woanders untergebracht werden. Problematisch war und ist
die Waschsituation, es gibt keine Waschmaschinen in der Halle. Zur Zeit
dürfen die Bewohner Waschmaschinen im in der Nähe gelegenen
Studentenwohnheim nutzen (dafür müssen sie von Ehrenamtlichen oder
Sozialarbeitern dorthin begleitet werden) – demnächst soll aber ein
Container mit Waschmaschinen neben der Halle aufgestellt werden –
vielleicht war es unser Druck? Nächstes Thema ist die Tatsache, dass es
noch immer keine richtigen Betten gibt in der Halle, die Menschen schlafen
auf Feldbetten – auf Dauer unhaltbar. Mittlerweile ist die Versorgung der
Kinder mit Schulplätzen in Gang gekommen (Inges Mail in diesem Verteiler
hat den Stein ins Rollen gebracht!), allerdings habe ich noch nicht
gehört, dass es auch KiTaplätze gibt, obwohl Kinder, die kein deutsch
sprechen ab 4 Jahren gesetzlich zum Besuch einer KiTa verpflichtet sind.
Große Sorge bereitet die gesundheitl.  Situation. Noch immer rollt die
Masernwelle durch Berlin, dazu kommt die Grippe – die Menschen sind nicht
geimpft und was das bedeutet, wenn jemand in der Halle erkrankt, kann man
sich vorstellen. Wir könnten dringend ein Ärzteteam brauchen, dass sich
die Situation anschaut, vielleicht eine Reihenimpfung und deren
Vorfinanzierung organisiert – das LaGeSo muss die Kosten übernehmen. Oder
hat jemand Kontakt zum Gesundheitsamt und kann da etwas bewirken?

Und damit zu den Ehrenamtlichen: Die sind großartig!

Es gibt ein ganz buntes Angebot, das vom Spielen mit Kindern über
Sprachkurse, Tanzen, Geschichten schreiben bis hin zu gemeinsamen
Ausflügen geht. Wir bieten Rechtsberatung an, begleiten zu Behörden,
versuchen Ärzte zu vermitteln und haben auch die Mitarbeiter des ASB im
Asylrecht geschult. Unser Kinderteam bröckelt ein bisschen, deshalb würde
sich Jara sehr über neue Unterstützer freuen
(jara@willkommen-im-westend.de) Es ist ein bunter Kranz von Aktivitäten,
ständig kommen auch neue Angebote hinzu und in der Zwischenzeit sind schon
echte Freundschaften entstanden zwischen Bewohnern der Halle und
Anwohnern, die vorbeikommen.  Allen, die dabei mitmachen noch einmal ganz
herzlichen Dank und an Einige von Euch auch (Ihr wisst schon wer :-):
„Sagt auch mal Nein, wenn ich Euch um Hilfe bitte, passt auf Euch auf!

Eine neue Idee für eine Betätigung von Ehrenamtlichen stammt aus der
FU-Halle in Dahlem: Dort gibt es 1 bis 2mal in der Woche
Begegnungsnachmittage bei Kaffee und Kuchen (kann aber auch abends sein,
z.B. im Rahmen eines Stammtisches, bei dem das WiW den Flüchtlingen ein
Getränk spendiert…). Gibt es vielleicht jemanden, der so etwas
organisieren würde? In einem anderen Rahmen, ausserhalb der Halle als
Erwachsene miteinander ins Gespräch kommen, sich kennenlernen oder etwas
gemeinsam spielen…  Hat jemand einen Raum und/oder Elan?

Achtung: wenn Ihr mir persönlich antworten möchtet: schreibt an
amei@willkommen-im-westend.de und klickt nicht auf antworten, sonst fluten
Eure Reaktionen die Briefkästen von 200 Mitlesern…

Herzliche Grüße
Amei