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Mrz 31

Vom Regen in die Traufe – die Sporthalle in der Waldschulallee wird geräumt

Die Menschen ziehen aus der Turnhalle aus: Wir hatten alle darauf so gehofft, aber dass aus diesem Traum irgendwann eher ein Alptraum werden würde, damit hatte niemand gerechnet:

Der Reihe nach:

Am Wochenende wurde bekannt, dass von den 200 Menschen in der Halle 50 Familienangehörige in die Eschenallee umziehen können. Damit ist die Eschenallee voll, alle anderen Bewohner bekamen die Nachricht, sie würden nicht in bestehenden Gemeinschaftsunterkünften untergebracht, sondern kämen in eine neu eröffnete Notunterkunft in einer ehemaligen Schule in Wittenau.
Die Enttäuschung war groß – viele waren ja nun seit über 100 Tagen in der Turnhalle und hatten viele andere Bewohner kommen gesehen, die zum Teil nach wenigen Tagen in regulären Unterkünften untergebracht worden waren. Es gibt kein System, nach dem Menschen, die lange in Notunterkünften waren mit Vorrang einen regulären Platz bekommen, es herrscht das Zufallsprinzip – daher wussten sie, dass sie nach diesem Umzug unter Umständen Monate in der neuen Notunterkunft bleiben müssen.
Montag früh riefen wir beim Träger der neuen Unterkunft an und baten darum, mit einigen Bewohnern die Schule anschauen zu dürfen. Der Träger war sehr offen und freundlich und führte uns herum. Auf einem alten seit 5 Jahre verlassenen Schulcampus gibt es mehrere Gebäude. Die alte französische Oberschule mit Aula ist seit Mitte Februar Notunterkunft für 130 Menschen. 20 – 25 Doppelstockbetten stehen in den Klassenzimmern, gegessen, aufgehalten und gespielt wird in der alten Aula oder auf den Gängen. Toiletten und Duschen stehen in Containern auf dem Hof und auf die Idee hier mal nach 5 Jahren Fenster zu putzen, ist bisher niemand gekommen.
Und nun wurde uns ein weiteres Gebäude gezeigt, die ehemalige Grundschule, in die irgendwann auch wieder eine Montessori-Grundschule einziehen soll. Gestern nachmittag gab es dort Betten – und zukünftige kleine Schliessfächer bislang noch ohne Schloss – und sonst nichts. Ob man die Toiletten im Gebäude benutzen könne, wisse man nicht, das würden die Wasserproben des Gesundheitsamtes ergeben, im anderen Gebäude sei das untersagt worden. Toiletten- und Duschcontainer kämen irgendwann in den nächsten Tagen, irgendwann kämen auch weitere Waschmaschinen und Trockner. Möbel für einen Aufenthaltsraum – da müsse man mal sehen, ob man irgendwann Spenden besorgen könne. Die Löcher in den Wänden, an denen die Tafeln hingen – wenn es denn sehr störe, könne man da ja mal eine Platte vormachen. Küche? Es gäbe zwar eine alte kleine Schulküche, die von den Bewohnern nach Absprache benutzt werden könne, aber das sei bei fast 300 Bewohnern eben nur ausnahmsweise möglich und in dem Raum finde auch Sprachunterricht statt. Eigentlich sollen sich Asylbewerber ja nach spätestens 3 Monaten selbst verpflegen dürfen – mangels Küche hier unmöglich, daher bleibt es bei der als so belastend empfundenen Massenverpflegung in Pastikverpackungen. Schränke? Ja, irgendwann und die Heizkörper habe man alle mal angedreht und hoffe, dass sie überall funktionieren..
Ein Syrer brachte es auf den Punkt: Wenn wir schon weiter mit 20 Mann in einem Raum schlafen müssen: warum diese Eile? Warum richtet man das Gebäude nicht erst einmal ein und macht es bewohnbar, bevor wir aus der Turnhalle dorthin müssen?
Montagabend Besuch in der Halle: Ratlosigkeit und Verzweiflung und Wut. Müssen sie da wirklich hin? Warum springt man so mit ihnen um, können sie sich dagegen wehren? Ohne Ergebnis wird Gespräch auf heute früh vertagt.
Heute morgen: Große Aufregung. 70 Bewohner sollen aufbrechen und erklären mir, sie würden nicht gehen. Keine Toiletten, keine Möglichkeit sich irgendwo hinzusetzen, 20 Menschen in einem Raum – dort sei es schlechter als in der Turnhalle. Ich hänge mich ans Telefon, rufe beim Träger an, beim LaGeSo, informiere andere WiWler, das Netzwerk Willkommen in Reinickendorf. In der Zwischenzeit beratschlagen sich die Menschen weiter, sprechen mit den Sozialarbeitern und erklären mir dann, man habe ihnen gesagt, sie müssten gehen, die Turnhalle werde geschlossen, ob sie wollten oder nicht und notfalls werde man das mit der Polizei durchsetzen. Ähnliche Töne höre ich auch aus dem LaGeSo, das sei nicht ihre Entscheidung, sie hätten dorthin zu gehen, wo man sie hinschicke.
Alle haben Angst durch Proteste ihre Asylverfahren zu gefährden, alle möchten doch nur in Deutschland ankommen und nicht streiten, frustriert packen sie ihre Sachen.
In Wittenau beziehen sie mit 20 Mann pro Raum ihre Zimmer. Die zusätzlichen WC- und Duschcontainer werden tatsächlich erst angeliefert, in Betrieb gehen können sie erst in den nächsten Tagen. Aber immerhin wurde entschieden, die Toiletten im Gebäude vorerst zu öffnen – ob sie wieder geschlossen werden müssen, werden die Proben des Gesundheitsamtes ergeben. Und übrigens – nein, nicht alle Heizkörper funktionieren, einige Räume bleiben kalt.
Eines haben die Protesten aber erreicht:
 
Morgen gibt es eine Novität: Ein Vertreter des LaGeSo, der Träger, Vertreter von Willkommen in Reinickendorf, vielleicht auch jemand vom Bezirk und wir setzen uns zusammen – gemeinsam mit den Bewohnern! Es soll darum gehen, wie man das Leben in dieser verlassenen Schule zumutbar gestalten kann und wer was dazu beitragen kann – hoffentlich bringt dieses Gespräch Verbesserungen und keine Vertröstungen!