Beratungsstellen, Flüchtlingsrat und Initiativen fordern sofortige Schließung
Wieder Behördenchaos beim LAF
Aufgrund von Personal- und Softwareproblemen beim Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) hat sich die ohnehin äußerst schwierige Situation in der noch immer als „Ankunftszentrum“ genutzten Notunterkunft im Tempelhofer Hangar 2 erheblich zugespitzt:
Weil der Registrierungsprozess beim LAF im Behördenteil des Berliner Ankunftszentrums für Asylsuchende in der Bundesallee nicht mehr funktioniert, müssen neu in Berlin ankommende Geflüchtete statt drei Tagen nun drei Wochen unter menschenunwürdigen Bedingungen im Hangar verbleiben.
In dieser Zeit erhalten sie weder das ihnen nach dem Asylgesetz sofort auszustellende Ausweisdokument („Ankunftsnachweis“) noch die ihnen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zustehenden Sozialleistungen (Barbetrag zum persönlichen Bedarf und BVG-Monatskarte). Auch der vorläufige Krankenversicherungsnachweis wird nicht ausgestellt, so dass die Menschen keine freie Arztwahl mehr haben.
Aktuell statt 100 bis zu 600 Geflüchtete im Hangar
Seit Ende Mai 2018 sind bis zu 600 Menschen in den ehemaligen Flugzeuggaragen im Hangar 2 in nach oben offenen, beengten Schlafkabinen mit zwei qm pro Person ohne jede Privatsphäre untergebracht. Ab Eröffnung der Notunterkunft des Ankunftszentrums im September 2016 waren bisher im Schnitt jeweils immer nur maximal 100 Personen für eine Dauer von 3-5 Werktagen im Hangar untergebracht.
Während die Asylsuchenden unter solchen Bedingungen im Hangar übernachten müssen, findet auch das alles entscheidende Asylinterview beim BAMF statt. Erst danach erhalten die Geflüchteten vom LAF eine reguläre Unterkunft.
Im Koalitionsvertrag der Berliner Regierungsparteien war die zügige Schließung der Hangars vereinbart. Sozialsenatorin Elke Breitenbach hat mehrfach betont, den Ankunftshangar umgehend schließen zu wollen. Es ist nicht nachvollziehbar, dass dies auch 20 Monate trotz der im Vergleich zu 2015 und 2016 geringen Zugangszahlen Asylsuchender bisher nicht geschehen ist. Konkrete Schließungspläne sind nicht bekannt. Stattdessen entsteht der Eindruck, dass der Berliner Senats dabei ist, das Ankunftszentrum auszubauen und die menschenunwürdige Unterbringung im Tempelhofer Flughafen dauerhaft zu etablieren.
Unterbringung menschenunwürdig
„Die mangelnde Eignung der riesigen Flugzeuggaragen zur Unterbringung von Menschen, der Dauerlärmpegel und die völlig fehlende Privatsphäre in den türenlosen Schlafkabinen, die abschreckende Naziarchitektur, die baurechtlichen Mängel der Unterkunft – auf all das haben wir immer wieder hingewiesen. Dass Asylsuchende nun bis zu 21 Tage unter solchen Bedingungen leben müssen und ihnen neuerdings auch noch das Existenzminimum rechtswidrig verweigert wird, ist ein Skandal und unter keinen Umständen hinnehmbar“, kritisiert Georg Classen, Sprecher des Flüchtlingsrats Berlin.
Sofortige Schließung gefordert
Beratungsstellen, Flüchtlingsrat und Initiativen fordern, die Unterkunft im Hangar umgehend zu schließen und die Asylsuchenden von Anfang an in Aufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften mit regulären baulichen Standards unterzubringen. Berlin muss sicherstellen, dass alle Asylsuchenden vor ihrer Asylanhörung beim Bundesamt eine qualifizierte und unabhängige Asylverfahrensberatung in Anspruch nehmen können. Den Asylsuchenden muss ausreichend Zeit gelassen werden, um sich auf die Anhörung vorzubereiten.
Pressekontakte:
Georg Classen, Flüchtlingsrat Berlin e.V.:
Mobil 0152 029 44 736, Büro 030 2247 6311, buero@fluechtlingsrat-berlin.de
Manuel Armbruster, Kontakt- und Beratungsstelle für Flüchtlinge und Migrant_innen (KUB) e.V.:
Tel. 030/614940-0, manuel.armbruster@kub-berlin.org
Andreas Eibelshäuser, Refugee Law Clinic Berlin:
andreas.eibelshaeuser@rlc-berlin.org
ViSdP: Flüchtlingsrat Berlin, Greifswalder Str. 4, 10405 Berlin, Tel ++49-30-22476311, Fax ++49-30-22476312, buero@fluechtlingsrat-berlin.de, www.fluechtlingsrat-berlin.de
Hintergrund:
Das Ankunftszentrum Berlin
Die Unterkunft im Hangar 2 des ehemaligen Flughafen Tempelhofs ist Teil des sogenannten Ankunftszentrums, dessen Behördenteil sich in der Bundesallee befinden. Neu in Berlin ankommende Asylsuchende müssen sich im Hangar melden und werden in den nächsten Tagen in die Bundesallee gebracht, wo sie vom LAF registriert werden und das Asylinterview beim BAMF stattfindet. Nur wer in dieser Zeit im Hangar übernachtet, erhält in Berlin Zugang zum Asylverfahren.
Das Konzept des Ankunftszentrums wurde auf Grundlage einer Bund-Länder-Vereinbarung 2016 geschaffen, mit dem Ziel, durch eine Bündelung aller am Asylverfahren beteiligten Behörden die Asylverfahren zu beschleunigen. Innerhalb von drei Tagen soll das Asylverfahren dort durchgezogen werden, vgl. dazu das Ablaufschema des LAF www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/pdf/LAF_Ablauf_AKuZ.pdf.
Im Ergebnis finden in den Ankunftszentren Asylschnellverfahren statt, bei denen wichtige Verfahrensgarantien auf der Strecke bleiben. Die Menschen haben keine Möglichkeit, sich in Ruhe und mit professioneller Unterstützung auf ihr Asylverfahren vorzubereiten. Oft bekommen sie schon nach 48 Stunden vom BAMF den Ablehnungsbescheid ausgehändigt.
Die Unterkunft im Ankunftshangar wird von der Firma Tamaja betrieben, auch das LAF ist vor Ort. Standort und Standards der Unterkunft werden allein vom Land Berlin verantwortet.
Der Flüchtlingsrat wiederholt die Schließung der Unterkunft im Hangar gefordert sowie den Ausstieg des Landes Berlin aus dem äußerst fragwürdigen Prozessen im Ankunftszentrum, siehe u.a. Pressemitteilung vom 14. Mai 2018, www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/pdf/PM_FR_Ankunftshangar_14Mai2018.pdf sowie Pressemitteilung vom 30. November 2017, www.fluechtlingsrat-berlin.de/print_pe2.php?post_id=850.
Statistik Januar 2017 bis Juni 2018: Gleichbleibender Asylzugang in Berlin und im Bund
Das aktuelle Registrierungschaos am LAF ist nicht mit einer steigenden Zahl Asylsuchender zu erklären.
Im Juni 2018 kamen mit 1097 Personen nur geringfügig mehr Asylsuchende als im Schnitt der vergangenen Monate in Berlin an (Quelle: Auskunft Pressestelle LAF). Der Zugang lag im Rahmen der üblichen Schwankungen. Von Januar bis Dez. 2017 kamen im Schnitt 922 Asylsuchende, von Januar bis April 2018 im Schnitt 933 Asylsuchende monatlich nach Berlin. Diese Zahlen beinhalten jeweils auch die aus anderen Bundesländern nach Berlin umverteilten Asylsuchenden (z.B. weil die BAMF-Außenstelle Berlin für die Bearbeitung ihres Herkunftslandes zuständig ist), vgl. Spalte 3 der Statistik des LAF www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/pdf/LAF_Zugange_Asyl_2017-18.pdf.
Etwa 200 bis 400 dieser Asylsuchenden wurden und werden jeden Monat im Rahmen des „Königsteiner Schlüssels“ aus Berlin in andere Bundesländer umverteilt, vgl. die o.g. LAF-Statistik Spalte 4. Aktuell funktioniert beim LAF allerdings auch nicht die regulär bereits am Tag nach Ankunft in Berlin vorgenommene Umverteilung, was zur Steigerung der Belegung des Hangars beiträgt.
Im Ergebnis waren und sind seit Januar 2017 bis heute gleichbleibend etwa 600 bis 700 Asylsuchende monatlich in Berlin aufzunehmen, vgl. Spalte 7 der o.g. Statistik des LAF.
Die Asylstatistiken des BAMF belegen ebenfalls, dass seit Januar 2017 die Zugangszahlen gleichbleibend niedrig sind: www.bamf.de/DE/Infothek/Statistiken/statistiken-node.html. Hingegen waren es 2015 und 2016 wesentlich mehr.