Mitte Februar 2019 hat Innen- und Heimatminister Seehofer einen neuen Gesetzentwurf vorgelegt – das „Geordnete Rückkehr Gesetz“, das wieder einmal in kurzer Folge Gesetzesverschärfungen vorsieht, um die Zahl der Abschiebungen zu erhöhen.
Bereits heute sind Abschiebungen oft dramatische Ereignisse. Manche von uns haben es bereits selbst miterlebt, aber auch die Presse hat in den vergangenen Monaten immer wieder über erschreckende Beispiele berichtet. So wird in Thüringen ein werdender Vater aus dem Kreissaal heraus zum Flughafen gebracht In Passau wird eine schwangere Frau in Abschiebehaft genommen, ihr dreijähriger Sohn kommt in ein Waisenhaus. Auch in Hamburg wird eine Familie getrennt, der Vater und die beiden Kinder werden mitgenommen, die hochschwangere Mutter kommt ins Krankenhaus. Weitere Einzelfälle aus den letzten Monaten schildert Pro Asyl.
Immer häufiger wird Gewalt angewendet, d.h., dass Hand- und Fußfesseln, Haltegurte und Klebebänder eingesetzt werden, um die Menschen ruhig zu halten, nach Angaben der Bundesregierung haben sich die Fälle von Anwendung polizeilicher Gewaltmittel zur Durchsetzung von Abschiebungen in den letzten vier Jahren fast verzehnfacht, bei etwa gleich bleibenden Abschiebezahlen. (Quelle: kleine Anfrage der MdB Ulla Jelpke) Dem Flüchtlingsrat Berlin berichten Augenzeugen von einer Horrorabschiebung von 90 Menschen im Juni 2018 in Schönefeld.
Wenn der Gesetzentwurf von Herrn Seehofer durchkommt, werden wir derartige Szenen noch viel häufiger erleben und es wird noch dramatischer. Der Entwurf sieht weitgehende Möglichkeiten der Inhaftierung Betroffener vor – lange vor dem geplanten Abschiebungstermin. Menschen werden schon vorbereitend in Haft kommen, nur wenn sie beispielsweise den Termin für eine Rückkehrberatung verpasst haben.
Für alle abgelehnten Asylbewerber soll eine „erweiterte Vorbereitungshaft“ eingeführt werden. Festgesetzt werden kann demnach jeder, der sich „nicht ausreichend“ an der Passbeschaffung beteiligt oder nicht darlegen kann, dass er nicht schummelt. Das aber kehrt die Beweislast um, denn bisher muss die Ausländerbehörde eine Identitätstäuschung belegen. Die Zahl Geflüchteter, die ihre Unschuld nicht beweisen können, würde nach Seehofers Plänen in die Hunderttausende gehen. Das ist unverhältnismäßig, weil es nicht auf wenige hartleibige Täuscher zielt, sondern auf die vielen, die das Pech haben, aus Ländern mit dysfunktionalen Verwaltungen zu stammen.
Viele weitere Verschärfungen sind vorgesehen: Es soll eine „Duldung light“ geben, ein Status, der die Betroffenen weitgehend rechtlos stellt. Trotz eines Verbots des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sollen Abzuschiebende in normalen Gefängnissen inhaftiert werden. Flüchtlingshelfer*innen und Journalisten, die die Termine von Abschiebeflügen bekanntgeben, werden kriminalisiert.
Die Liste der besorgniserregenden und auch verfassungsrechtlichen Bedenken ist lang (hier die Stellungnahmen von Pro Asyl und des Schleswig-Holsteinischen Flüchtlingsrates und die Stellungnahme des Europarechtlers und Experten im Asyl- und Flüchtlingsrechts Dr. Constantin Hruschka).
Wieder einmal scheinen Zwang und Repression die einzigen Mittel staatlichen Handelns zu sein, die unser Innenministerium kennt, auch auf die Gefahr hin, die Grenzen unseres Rechtsstaates zu überschreiten. Dies geschieht auf dem Rücken der Betroffenen und der Zivilgesellschaft, aber auch der Mitarbeiter staatlicher Stellen, die diese oft jedem Gefühl für Menschlichkeit widersprechenden Anweisungen durchsetzen müssen.
Deshalb rufen wir auf zu der Demonstration am 30.3.2019 in Berlin
FÜR SICHERE HÄFEN UND SOLIDARISCHE STÄDTE: SEEHOFER WEGBASSEN!
SAMSTAG 30. MÄRZ – 14 UHR – BEI DER OBERBAUMBRÜCKE
weiterführende Links:
FÜR SICHERE HÄFEN UND SOLIDARISCHE STÄDTE: SEEHOFER WEGBASSEN!
https://seebruecke.org/wegbassen/
https://www.facebook.com/events/2148445175193070/
Zusammenfassung des Gesetzentwurfs in der Süddeutschen Zeitung: https://www.sueddeutsche.de/politik/fluechtlinge-geordnete-rueckkehr-gesetz-abschiebung-asyl-seehofer-spd-1.4330122
Stellungnahme des Europarechtlers und Experten im Asyl- und Flüchtlingsrechts Dr. Constantin Hruschka https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/geordnete-rueckkehr-gesetz-bmi-abschiebungen-erleichtern/
Flüchtlingsrat SH und Pro Asyl zum „Geordnete-Rückkehr-Gesetzentwurf“ des BMI
Verzehnfachung der Anwendung von Gewalt bei Abschiebemaßnahmen: https://www.ulla-jelpke.de/2019/02/behoerden-schieben-immer-skrupelloser-ab/