«

»

Mai 04

War das gut!

Humus

Fouad ist schuld – Fouad, der syrische Zuckerbäcker. An einem kalten Morgen in einer großen Traube von wartenden Menschen vor dem Bundesamt für Migration schaute er mich an und bat Abdullah zu übersetzen. Er wisse nicht, wie er sich dafür bedanken könne, dass ich dort mit ihnen stünde. Aber er verspreche, eines Tages werde er für mich kochen.

Gut, vielleicht haben Kerstin und ich auch ein bisschen Mitschuld, denn an einem anderen Tag in der ziemlich trostlosen Notunterkunft in einem lange nicht genutzten Schulgebäude in Wittenau, in der er in einem Klassenzimmer mit 20 anderen Männern lebt, dachten wir spontan: Warum auf „eines Tages“ warten?

Und dann sind natürlich Ali, Lothar, Nidal, Abdullah, Mohammed, Maher, Nour , Raffah und ganz viele andere ebenfalls schuld, denn sie haben die Idee sofort aufgenommen und umgesetzt. Die Idee „Holen wir doch mal die Syrer zusammen, die in der Waldschulallee in der Turnhalle gelebt haben, laden wir dazu Freunde von Willkommen im Westend, Nachbarn, Familie, andere Syrer, die wir unterdessen kennengelernt haben ein – und Fouad kocht.“

Um es gleich zu sagen, es wurden 50 Menschen und es wurde ein unglaubliches Essen. Mit Fouad kam der Schwager und der Neffe, der in schon in Damaskus in seinem Zuckerbäckerbetrieb mitgearbeitet hatte, dazu gesellten sich andere, die ganz offensichtlich ebenfalls schon oft in einer Küche gestanden hatten. Morgens um 10 ging es los, Fouad wirbelte und genoss es sichtlich, nach den Monaten erzwungener Untätigkeit endlich etwas zu tun zu haben. Die anderen schnipselten, brieten, fachsimpelten, schleppten Tische und probierten und probierten nochmal, Mit Zeichensprache wurde die Zitronenpresse angefordert oder gefragt, ob es noch mehr Salz sein solle, wurde gezeigt, wie man Mandeln spaltet oder Teigbällchen formt. Und an allen Zutaten und Gewürzen aus dem türkischen Supermarkt wurde erst einmal gerochen, wir (oder zumindest ich), weil wir neugierig waren, die Syrer, weil es so an zuhause erinnerte.

der syrische Koch in seinem ElementTeamwork in der KücheKochstundeProbierenGurkenTeigtaschen

Fouad hatte angekündigt, er sei zwischen 7 und halb 8 fertig. Um Viertel nach 7 klatschte er strahlend in die Hände und rief auf deutsch „fertig“. Zurücklehnen konnte er sich trotzdem nicht. Sein Neffe Nour und er standen den Abend über immer wieder in der Nähe des Buffets und legten einem immer noch eine Köstlichkeit auf den Teller – und freuten sich sichtlich über die Freude, die alle an dem Essen hatten.

Getreide mit Lammfleisch und gerösteten Nüssendas BuffetDSC_2388Die Dessertsam Buffet

Freude – beim Sortieren der Bilder fällt auf, wie entspannt und glücklich alle, die Geflüchteten aus Syrien, die Unterstützer aus dem Netzwerk, aber auch die Nachbarn und die Familie auf den Bildern sind. Viele der Männer leben in großer Sorge um ihre Familien, manchen drohen Abschiebungen nach Ungarn, wo sie ins Gefängnis kommen oder in die Obdachlosigkeit in Italien. Sie haben Krieg oder Folter hinter sich, Geschwister oder Kinder sterben sehen und müssen in einem fremden Land ganz von vorne anfangen. An diesem Abend konnten wir alle das vergessen, wir haben so viel gelacht und tanzten irgendwann allesamt in der viel zu kleinen Küche um den Küchentresen.am großen Tisch gemeinsam

Und alles nur, weil wir so lange in der Kälte vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge standen….

Ps. Wer Fouad nicht kennt und dennoch Spass daran hat, gut und authentisch nicht nur die Küche kennenzulernen, sondern auch über die Länder zu erfahren, dem sei das Projekt Über den Tellerrand kochen empfohlen. Dort gibt es nicht nur ein Kochbuch, sondern auch Kontakte zu geflüchteten Menschen, die gerne bei anderen kochen und von ihren Heimatländern erzählen.